Referat des Verwaltungsleiters des Jüdisch pädagogischen Zentrums
Alexander ZIRKLER
zum Eröffnungssymposium der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien unter dem vorgegebenen Motto:

,,Religion und Integration -
Beiträge der Religionspädagogi-schen Akademien zum gesellschaftlichen Integrationsprozeß"

,,Das Miteinander als europäisches Kulturmerkmal"
 

Wie die geschätzten Vorredner auch, möchte ich zuallererst der Islamischen
Religionspädagogischen Akademie in Wien zu ihrem erfolgreichen Bestand sehr herzlich
gratulieren und mich namens der Jüdischen Religionspädagogischen Akademie für die
Einladung bedanken.

Wie es nun schon mehrfach angesprochen worden ist, bezeichne auch ich es als sehr zutreffend und achtenswert, daß der heutige Tag gleichzeitig dazu verwendet wird, Gedanken und Vorschläge zum Thema ,,Religion und Integration" hier gemeinsam anzustellen.

,,Religion", das ist ein großer und sehr komplexer Begriff
,,Integration" - das Wort für sich - ist für das logische Denken viel schneller verständlich - aber eben ein Begriff, der nicht für sich alleine stehen kann.

Wenn eine Religionspädagogische Akademie sich nun bemüht, Integration aktiv zu betreiben, so hat diese Bemühung ihre erste Bewährungsprobe zumeist gleich in den eigenen Reihen. Wir haben zum Beispiel in unserer Klasse der JPA sephardische (zusammengesetzt aus georgischen, bucharischen und krusinischen Juden) und ashkenasische (mitteleuropäische) Studentinnen, wobei jede Gruppe ihre besonderen sprachlichen und kulturellen Eigenheiten hat. Unterschiede, die zwar in der gesamten Glaubenslehre kaum zum Tragen kommen, jedoch im Alltag aufgrund der unterschiedlichen Traditionen mitunter schwer vereinbar sind. Aber gerade die Nebensächlichkeiten können jederzeit zu Streitigkeiten führen.

Für uns ist es daher wichtig, unseren Studentinnen vor Augen zu führen, wie richtig es ist, das eigene kulturelle Prinzip zu pflegen und weiterzuführen. Daß aber im Rahmen des JPA- Angebots der vorgegebene Lehrstoff allgemein und gemeinsam zu behandeln ist; verbunden mit dem Vorsatz, die einzelnen Schematas dahinein mit einzubinden, um das Spektrum der Studentinnen und der Akademie insgesamt noch zusätzlich zu bereichern.

Diese Art von Integration betreiben wir in der JPA. Wir integrieren die verschiedenen Brauchtümer jüdischer Traditionen innerhalb der Klasse, ohne Kanten abzuschleifen, oder das Verschiedene in einen Brei zu verschmelzen. Es steht für uns außer Zweifel, daß dies der einzige Weg ist, in dessen Verlauf wirklich alle Beteiligten profitieren können.

Sobald man erkannt hat, daß die Kunst des Miteinanders nicht nur ein gesamtgesellschaftliches Erfordernis ist, sondern eine Bereicherung und persönliche Förderung für jeden einzelnen, ist die Akzeptanz des Anderen nicht mehr bloß eine unabwendbare Notwendigkeit, sondern seine Wahrnehmung und Würdigung eine Erhöhung auch der eigenen Person.

Aber Grundvoraussetzung für diese Kunst des Miteinanders ist der Mut und die Kraft des einzelnen Menschen, dem Anderen Vertrauen entgegenzubringen. Echtes Vertrauen zum Anderen kann man jedoch nur aus einer Position der Stärke heraus bilden. Deswegen baut das Vertrauen zum Anderen in erster Linie auf das eigene Vermögen - die Identität - und die Sicherheit die aus dieser Identität erwächst.
Für unsere heterogenen Studentinnengruppe bedeutet dies, daß eine aus Taschkent stammende Studentin ihre landesspezifische Lebensart hier in Wien nicht abstellen muß, sondern im Gegenteil, mit der Wahrnehmung und Anerkennung anderer Studentinnen aus Pressburg, Frankfurt oder Wien ihre eigenen Traditionen noch konturierter zum Ausdruck bringen kann.

Ich habe den Eindruck, daß diese Erfahrung sehr wertvoll ist; insbesondere auch für den Umgang mit anderen Kulturen, Religionen und Gesellschaftssystemen. Es ist an dieser Stelle sicher richtig zu sagen, daß hier bei uns in Wien, in Österreich, dank des verantwortungsvollen Umganges der Politik, der Behörden und vieler Einzelproponenten (zum Beispiel die heutige Veranstaltung legt Zeugnis dafür ab) sich die einzelnen Konfessionen frei und in einem ungetrübten Verhältnis zueinander bewegen können. Dies zeigt sich unter anderem ja auch darin, daß die verschiedenen Religionspädagogischen Akademien untereinander beste Kontakte pflegen.

Aber wir müssen unseren Studentinnen, und diese sollen ihren künftigen Schülern, nicht nur das vorgegebene Wissen spenden, sondern auch Erfahrungen zueignen, die sie in die Lage versetzen, aus ihrer eigenen Identität heraus, Ängste und Mißtrauen gegenüber dem Anderen, dem Fremden und Unbekannten hinter sich zu lassen. Vorurteile einzutauschen gegen Offenheit. Dieser Mut zum Vertrauen ist ein großer Schritt, der einen sicheren Stand voraussetzt und ein inneres Gleichgewicht erfordert.

Die Religionspädagogischen Akademien können mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln diesen Schritt freilich üben und auf ihre Weise fördern. So wird der Gedanke des gegenseitigen Vertrauens in die österreichischen Schulen getragen, und jene Kinder, die den Religionsunterricht besuchen, können von unserem gemeinsamen Vorsatz profitieren.

Diese Kunst des Miteinanders wurde als wichtiger Bestandteil im Schulwesen schon erkannt. Im Rahmen interdisziplinärer Projekte werden zum Beispiel via Internet österreichische mit Schülern anderer EU- Staaten verbunden und erleben das Neue in Schule, Sprache und Lebensart. Für beide Seiten bringt diese Praktik neue Perspektiven, neue Lernmotivation, neue Energien. Gegenseitiges Wahrnehmen ohne Angst und Vorbehalte ist in diesem Bereich die schon lang begonnene Zukunft. Auch hier gilt allerdings das Prinzip, daß zum Beispiel fremdsprachige Kommunikation in dieser Form eine große Sicherheit in der eigenen Sprache voraussetzt.

Unsere Aufgabe liegt vielleicht ähnlich, ist jedoch mit dem komplexen Begriff der Religion und allen daraus resultierenden kulturellen Bedingungen verbunden. Denn wenn auch ganz klar ist, daß die vernetzte, hochkommunikative Zukunft bereits begonnen hat; so ist es nicht so sicher, ob die europäische Kultur, die sich aus verschiedenen religiösen und gesellschaftlichen Strömungen zusammensetzt und daher gar nichts anderes sein kann als eine Kultur des Miteinanders in ihren vielfältigen Lebensformen so erhalten bleiben kann.

Es ist daher heute wichtiger denn je, sich der Frage zu stellen, welche Richtung einzuschlagen ist, damit die Menschen in einem zusammenwachsenden Europa der Leistungsfähigkeit, Schnelligkeit und Flexibilität sich nicht bloß ihre Herkunft bewußt machen können, indem sie die Museen besuchen, sondern daß die Menschen ihre kulturellen, religiösen Ansprüche jetzt und hier leben können.
Diese Vielfalt, der Reichtum an lebenden Religionen in Österreich und ganz Europa ist für die Staaten und Konfessionen zweifellos eine große Herausforderung. Sie ist aber auch und in erster Linie eine Chance für die Menschen eine Identität und Orientierung jenseits der Nationen und Gesellschaftsklassen zu finden, als ein sicheres Asyl im Wechselbad des persönlichen Erfolges.

Wenn wir uns als Religionspadogische Akademien gegenseitig vertrauen und fördern, so ist dies ein schönes und wichtiges Signal für eine Zukunft, die nicht in den ,,kulturellen Schmelztiegel" führt, sondern zu Fortbestand und Entwicklung.

Zu einer Entwicklung, die, wenn sie in gegenseitiger Achtung und Harmonie geschieht, für die Menschen in diesem Land, mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen, nur Gutes bringen kann.
 
 

Danke