Ministerialrat Dr. Werner JISA
Bundesinnenministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Leiter des Kultusamtes

Symposium "lslam und Europa"
Veranstaltung der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien und der
Liga islamischer Universitäten Wien, 12. bis 14. Mal 2000

Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrates, Eminenz, Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich entbiete Ihnen in Vertretung von Frau Bundesministerin Elisabeth GEHRER herzliche Grüße anlässlich der Eröffnung dieses Symposiums. Sowohl das Thema und die Zielsetzung dieser Veranstaltung als auch der Veranstalter haben gleichsam symbolhafte Bedeutung - ist doch der Islam in Österreich mit derzeit an die 300.000 Mitglieder seit etwa 90 Jahren eine gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Der Islamischen Glaubensgemeinschaft als Korporation einerseits und den in Österreich lebenden Muslimen anderseits sind daher auch in Ausübung ihrer Religion jene verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte garantiert, die etwa auch den christlichen Kirchen eingeräumt sind. Konkret bedeutet dieser rechtliche Status- Die Islamische Glaubensgemeinschaft und ihre autonom gewählten Organe sind in der Gestaltung ihrer religiösen Angelegenheiten frei von jeglicher Beeinflussung durch Organe der Republik Österreich. Mit dem Blick auf die Grundrechtsgarantien der Europäischen Menschenrechts-konvention gilt dies auch für die anderen Staaten, nämlich die Nichteinmischung in religiöse Angelegenheiten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.

Hier mag sich zweifellos ein Spannungsfeld auftun, weil durch die philosophische Gestalt der Aufklärung bedingt im Westen die geistliche und weltliche Machtsphäre - Staat und Kirche - institutionell auseinander gebrochen ist und in einer zum Teil schmerzlichen politischen Entwicklung das Beziehungsgefüge zwischen Staat und Kirche neu gestaltet werden musste - Mit dem Ergebnis, dass die westlichen Demokratien weltliche und geistlich-rellgiöse Dimension als zwei unabhängige Wirkungsbereiche und Rechtskreise verstehen.

Ein Ergebnis dieser Trennung ist das Phänomen der Säkularisierung des Denkens mit dem sich alle Religionen auseinander zu setzen haben; dies dürfte eine der wesentlichen Herausforderungen sein, der sich auch der Islam infolge seiner Berührung und Beziehung zu Europa, zum Westen ausgesetzt sieht.

Es ist dies nur ein Aspekt - vielleicht aber ein wesentlicher - der bei diesem Symposium angesprochen werden könnte.

Islam und Europa. Vor fast zwei Jahren - im September 1998 ging ein prominentes Forum von Europapolitikern und Vertretern von - christlichen Kirchen auf die Suiche nach der "Seele Europas". Dieser fast schon zum geflügelten Wort gewordene Begriff fragt damit legitimerweise auch die religiös-kulturelle Welt des Islam nach seinem Beitrag zur Überwindung der überkommenen Nationalismen, die - um mit dem in Paris lebenden islamischen Gelehrten Mohammed Arkoun zu sprechen - zunächst innerhalb der Europäischen Union zurückgelassen werden können. In diesem Zusammenhang ist jedoch die derzeit institutionell bestehende west-europäische Integration herausgefordert sich auch Richtung Ostmitteleuropa und Südosteuropa zu öffnen. Sie könnte dazu beitragen, die alten Gegensatzpaare Nord-Süd, Okzident-Orient, Westen-Islam zu überwinden, und neue Horizonte des Verständnisses eröffnen.

Nicht blauäugigen Verniedlichungen und intellektuell unredlichen Simplifizierungen geohistorischer und geokultureller Gegensätze ist das Wort zu reden-, Unwissenheit war allemal ein fruchtbarer Boden für Vorurteile und Ressentiments gegenüber dem Anderen, Fremden gerade auch im religiös-kulturellen Bereich.

Ich denke, dass dieses Symposium einen konstruktiven Beitrag leisten kann, die angsterzeugende Parolen vom "Kampf der Kulturen", die auch auf massive Kritik gestoßen ist, zu falsifizieren. Es soll Inspiration sein für die politisch-gesellschaftliche Dynamik, die auch in der Erklärung über die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften des Vertrags von Amsterdam - der neuen Verfassung der Europäischen Union - grundgelegt ist.

Dort wird formuliert - Zitat:

"Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.

Die Europäische Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaft in gleicher Weise."
In dieser zukunftsoffenen Erklärung ist jedenfalls ein Rahmen zu entwickeln, der Religion auch in institutioneller und gesellschaftlicher Dimension schützt. In diesem Rahmen wäre vielleicht auch darüber zu reflektieren, den Bürger nicht nur in einer politischen sondern auch in einer menschlichen Gemeinschaft zu beschreiben. Das war bereits Platons Traum.

Lohnt es sich nicht dafür sich einzusetzen?

Möge dieses Symposium einen wertvollen Beitrag leisten zur Belebung jener europäischen Werte der Solidarität, des Respekts vor der anderen politischen Meinung, der Toleranz, die in letzter Zeit so sehr beschworen worden sind.
Europäischen