Richard Potz:

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zunächst möchte ich mich für die Einladung zu einem Referat an Ihrem Symposium sehr herzlich bedanken und hoffen, dass Sie sich trotz der Dichte der Veranstaltungen gerade in diesen drei Tagen in unserem Hause wohl fühlen.

Mit der Bereitstellung dieses Raumes möchten wir im besonderen auch die Verbundenheit des Institutes für Recht und Religion und der gesamten rechtswissenschaftlichen Fakultät mit der Themenstellung Ihres Symposiums zum Ausdruck bringen.

Um diese Verbundenheit zu illustrieren möchte ich Ihnen kurz über ein Projekt an meinem Institut berichten, dem wir den Titel "Islam in Österreich - Konzepte gegen einen Konflikt der Kulturen aus juristischer Sicht" gegeben haben.

Die Beobachtung der letzten Jahre - vor allem auch am eigenen Institut – hat gezeigt, dass Fragen rund um den Themenkreis "Islam" immer mehr in den Blickpunkt des Interesses rücken. Im wissenschaftlichen Bereich wird diesem allgemeinen Trend dadurch Rechnung getragen, dass man sich nicht nur an den verschiedensten Instituten der Universitäten in Österreich in Vorlesungen, Seminaren und wissenschaftlichen Arbeiten damit befasst, sondern dass auch zahlreiche außeruniversitäre Einrichtungen sich dieser Thematik annehmen.

Die unterschiedliche - jeweils fachspezifische - Befassung mit Fragen zum Thema "Islam", führte – quer durch nahezu alle Fakultäten – in den letzten Jahren zu einer Fülle von Lehrveranstaltungen und Projekten in diesem Bereich. An unserer Fakultät befassen sich die Institute für Recht und Religion, für Rechtsphilosophie und für Rechtsvergleichung seit Jahren mit einschlägigen Rechtsproblemen. Im außeruniversitären Bereich ist vor allem auf die Österreichische Orientgesellschaft Hammer-Purgstall zu verweisen, die in ihren Vortragsreihen und in Zukunft auch mit einem "Lehrgang universitären Charakters" vorbildliche Arbeit leistet.

Im Rahmen des gemeinsam mit Frau Dr. Schmied durchgeführten Projekts soll geprüft werden, inwieweit dieses bestehende wissenschaftliche Potential vernetzt werden kann. Das Ziel dabei ist es, sich der Kooperation jener universitärer und außeruniversitärer Institutionen für die Einrichtung eines Forschungsschwerpunktes "Islam und Recht" in Wien zu versichern, die sich - österreichweit - mit Fragen des Islam befassen.

Dafür bedarf es auch der Kooperation mit ähnlichen Institutionen in Europa. Da die Situation der Muslime in den meisten europäischen Ländern im wesentlichen ähnlich ist, darf mit einem über Österreich hinausgehenden Interesse an einer solchen Einrichtung gerechnet werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die nächstjährige Tagung des Konsortiums für religionsrechtliche Fragen in den Ländern der EU hinweisen, die in Wien stattfinden wird und deren Thema – nicht zuletzt wegen der durchaus vorbildlichen Rechtsposition des Islam in Österreich – Rechtsfragen der islamischen Minderheit in der EU gewidmet sein wird.

Die Sichtung der laufenden, aber auch bereits abgeschlossener wissenschaftlicher Arbeiten soll Aufschlüsse darüber geben, ob bestimmte gemeinsame Interessensschwerpunkte feststellbar sind und inwieweit sie sich in den vorgegebenen Themenkreis einfügen lassen. Aufgrund der vorgegebenen Interessenslage des Projekts sind vor allem jene Fragestellungen auszuloten, die einen rechtlichen Bezug aufweisen.

Obwohl die islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich eine anerkannte Religionsgesellschaft mit öffentlich-rechtlichem Status ist und aufgrunddessen die Glaubensgemeinschaft eine Art Dachverband darstellt, der sich vor allem im Bildungsbereich und zunehmend in der Öffentlichkeitsarbeit bewährt, ist der österreichische Islam sehr vielfältig gegliedert und widerspiegelt in seinen Strukturen und Strömungen auch die Zerrissenheit und die politischen Konflikte innerhalb der muslimischen Welt.

Alle diese muslimischen Gruppen haben vielfältige soziale Netzwerke ins Leben gerufen. Diese reichen von Erziehung und Sport bis zur Wohnungs- und Arbeitsvermittlung, von der Mediation bei internen Konfliktfällen bis zur Anstaltsseelsorge und Bewährungshilfe. Sowohl die Glaubensgemeinschaft als Ganzes, als auch diese sozialen Netze in einzelnen Bereichen haben eine doppelte Integrationsfunktion. Einerseits wirken sie intern integrativ, andererseits aber auch extern, weil sie sich zunehmend in das System von teilweise auch staatlich geförderten Selbsthilfeeinrichtungen einfügen und damit auch zu einem Teil der pluralistischen Zivilgesellschaft werden.

Wie auf den ersten Blick erkennbar, sind die genannten Bereiche fundamental mit rechtlichen Fragen verknüpft. Es wird zu untersuchen sein, ob und inwieweit rechtliche Ausgestaltungen dem der östereichischen Rechtsordnung inhärenten Modell der Integration entsprechen. Das Ziel dieses Modells ist die religiöse und kulturelle Emanzipation, welche die Aufrechterhaltung einer islamischen Identität ermöglicht bei gleichzeitiger Akzeptanz der fundamentalen Grundsätze der europäischen Moderne. Das Schlagwort dieses Modells lautet vereinfacht: Es soll ein Euro-Islam als Teil der islamischen umma entstehen, der auch eine Brückenfunktion haben kann und nicht ein Ghetto-Islam, durch den die Ausgrenzung der Minderheit gleichsam perpetuiert wird.

Dadurch unterscheidet sich dieses Modell sowohl von der Assimilation als auch der Segmentierung, bei denen die Nachteile überwiegen. Die Assimilation hat das republikanische Ziel einer strikt egalitären Bürgerschaft ohne Ressentiments und Diskriminierung im Auge. Nicht die Gruppe steht im Blickfeld, sondern der einzelne und seine Emanzipation, gegebenenfalls unter gleichzeitiger Aufgabe seiner kulturellen Identität. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit ihren kulturellen und religiösen Spezifika wird grundsätzlich nicht releviert.

Das Modell der Segmentierung hingegen entspricht einem postmodern-kommunitaristischen Konzept. Hier kommt es zu einer - segmentären - Einfügung der Minderheit. Das Ziel ist ein konfliktfreies Nebeneinander bei Aufrechterhaltung der kulturellen Identität. Die Schwächen dieses Systems liegen darin, daß es zur Ghetto-Bildung kommt und damit zur Desintegration des öffentlichen Raumes beigetragen wird.

Im Oktober 1999 wurde nun das Projekt am Institut für Recht und Religion gestartet, wo es bis zum 1. November 2001 laufen soll. In diesen zwei Jahren sollen die angesprochenen Fragen in Form von "feasibility - Studien" untersucht werden.

Lassen Sie mich kurz aus unserer bisherige Arbeit Beispiele bringen:

Dank der Neugestaltung der Studienpläne an der rechtswissenschaftlichen Fakultät wurde - neben anderen - der Wahlfachkorb "Kultur- und Religionsrecht" eingerichtet. In diesem Rahmen wird den Studierenden ein vielfältiges Vorlesungs- und Seminarprogramm geboten, das es ihnen ermöglicht in den unterschiedlichsten juristischen Bereichen eine Zusatzausbildung zu erhalten. Mit Wintersemester 1999/2000 wurde die seit Jahren von Prof. Luf und mir veranstaltete Seminarreihe zum Thema "Islam und Europa" zunächst um eine Lehrveranstaltung unter dem Titel "Einführung in das islamische Rechtsdenken" erweitert. Wie groß das Interesse seitens der StudentInnen an diesem Themenbereich ist, zeigt, dass sich die Zahl der Zuhörer im Sommersemester bereits verdoppelt hat – es sind derzeit 32 Studierende angemeldet. Im Laufe dieses und des nächsten Semesters wird das Angebot durch weitere Lehrveranstaltungen so ergänzt, daß im Wintersemster 2000/01 erstmals der Abschluss einer Schwerpunktausbildung zum islamischen Recht möglich sein wird und wir hoffen, dass einige der Studierenden davon Gebrauch machen werden.

Wie bereits einleitend ausgeführt wurde, fehlte in Österreich bisher eine breit angelegte wissenschaftliche Diskussion zu den unterschiedlichsten aktuellen Fragen im Zusammenhang mit dem "Islam". Wir haben die Beobachtung gemacht, daß oft ein Großteil der wissenschaftlichen Arbeitszeit für Faktensammlung und Grundlagenforschung verwendet wird. Die Kooperation von geeigneten Fachkräften erscheint als eine der Möglichkeiten, Ergebnisse zu optimieren. Damit soll auch erreicht werden, dass ein Teil der Schwerpunktausbildung im Bereich Recht und Islam zu den entsprechenden Fachleuten wie etwa Orientalisten, Völkerkundlern, Religionswissenschaftlern "ausgelagert" werden kann. Schließlich wird man auch eine Kooperationsform mit der islamisch-pädagogischen Akademie ins Auge fassen können, was hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen durch das neue Akademiegesetz einfacher werden sollte.

Die Kooperation kann aber auch rein organisatorischer Natur sein. Da wäre zunächst die gute Zusammenarbeit mit der Muslimischen Glaubensgemeinschaft in Österreich zu erwähnen. Dafür ist nicht nur diese Tagung ein Beispiel, sondern auch daß Herr Präsident Schakfeh, Herr Dr. Mussa und Herr Morad zum Teil schon öfters als Vortragende und Diskutanten an unseren Lehrveranstaltungen teilgenommen haben.

Als weiterer Langzeitpartner ist neben der Österreichischen Orientgesellschaft Hammer- Purgstall die Hochschule St. Gabriel und der dortige Motor des christlich-islamischen Dialogs in Österreich Prof. Andreas Bsteh zu erwähnen, auch er ist häufiger Gast bei unseren Veranstaltungen.

Was nun die Gestaltung unseres Wahlfaches in diesem Semester betrifft, darf ich auf ein Informationsblatt verweisen, das wir Ihnen gerne zur Verfügung stellen. Über die aktuellen Vorhaben können Sie sich darüber hinaus auch auf der homepage unseres Institutes informieren.

Ich möchte dazu noch zwei Anmerkungen machen. Ich freue mich besonders, daß wir in diesem Semester Herrn Prof. Mojtahed Schabestari aus Teheran als Gastvortragenden an unserer Fakultät begrüßen können, mit den Kollegen Luf und mich seit langen Jahren eine persönliche Freundschaft verbindet. Außerdem bereiten wir derzeit die Gastprofessur von Frau Dr. Saleeha Mahmood aus Jeddah an unserer Fakultät für das Sommersemester 2001 vor. Auch in diesem Fall wird es zur Vertiefung von seit einigen Jahren bestehenden wissenschaftlichen Kontakten kommen, über die wir uns auch persönlich sehr freuen.

Neben den genannten inhaltlichen Zielsetzungen, ist es auch Teil des vorgestellten Projekts über eine geeignete organisatorische Einheit nachzudenken. Die Sammlung von Daten und Unterlagen bedarf einer zentralen Stelle, als die das Institut für Recht und Religion fungiert, das sich als Schnitt- und Anlaufstelle für alle an diesem Themenbereich interessierten Studenten und Wissenschaftlern sehen möchte. Es soll aber auch den Institutionen, Behörden, Medien u.s.w. die Möglichkeit geben eine geeignete Stelle zu finden, die sachliche Information direkt oder durch Verweis auf entsprechende Fachleute vermitteln kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie sehen ist unser Projekt langfristig auf Kooperation aller im Themenbereich wissenschaftlich Tätigen ausgerichtet. Eine Veranstaltung, wie dieses Symposium ist für uns daher von großer Bedeutung. Ich wünsche daher Ihnen und auch mir, dass diese Veranstaltung von entsprechender Nachhaltigkeit sein wird, im Interesse der darin zur Sprache gebrachten Anliegen.