Ihr Muslimischer Patient

Gesundheit und Krankheit
Umgang mit Patienten
Medizinische Aspekte und spezielle Fragen

"Ich durfte das junge Mädchen nur in Anwesenheit Ihres Vaters und mit Bekleidung untersuchen", erklärte uns ein Professor in der Pädiatrie Vorlesung. "Dürfen sie von Ihrer Religion aus etwas nicht machen, was sie in ihrem Beruf machen müßten?", wurde ich im Rahmen eines Vorstellungsgespräches für eine Unterassistentenstelle gefragt. „Sie wollen wissen ob ich Männer untersuchen darf oder nicht?", fragte ich , um „Dinge beim Namen zu nennen". Der Oberarzt atmetet erleichtert auf: „Im Islam ist es grundsätzlich dem Manne erlaubt eine Frau zu untersuchen, sowie es einer Frau erlaubt ist einen Mann zu untersuchen.", antwortete ich. Mein zukünftiger Oberarzt nickte; nach ein paar Wochen Zusammenarbeit erzählte er mir, er habe gespannt darauf gewartet, wie ich mich verhalten würde, wenn ich die Theorie in Praxi umsetzen müßte! 

Ich könnte mehrere Anekdoten in diesem Zusammenhang aufführen; nebst den amüsanten Aspekt , würde aber auch die enorme Wissens- und Kommunikationslücke zum Ausdruck kommen, welche zu solchen Fragen und Beobachtungen Anlaß gibt. Ähnliche Erfahrungen, beeindruckende Resonanz zu Bemühungen um sich gegenseitig zu verstehen und deren Einfluß auf Behandlung und Pflege der muslimischen Patienten verlieh mir den Anstoß um diesen Beitrag zu schreiben. 

Eingehend möchte ich auf die Grundlagen über Islam hinweisen. 

Wo sind die Wurzeln des Islam zu erkennen? Im Monotheismus und jeder Lehre des Monotheismus. 

Gesundheit und Krankheit

Krankheit ist wie alles andere von Gott geschaffen und wird als eine Prüfung, nicht als Strafe gewertet. Für jede Krankheit, ist ein Heilmittel geschaffen worden. Das Suchen nach diesen Heilmitteln wird mit der Verpflichtung für jeden Muslim sich Wissen anzueignen, sowie Befürwortung der Wissenschaft , gefördert. Krankheit. Wie in jeder Prüfung ist der Muslim verpflichtet sich zu seinem besten Wissen, Kraft und Geduld einzusetzen um eine Heilung zu ermöglichen; jedoch auch mit dem Bewußtsein und Vertrauen, daß Gott allein die Heilende Kraft ist., denn wie das deutsche Sprichwort es auch zum Ausdruck bringt: „Gott heilt, der Arzt kassiert." 

Der Krankenbesuch ist eine obligatorische Pflicht . Der Krankenbesuch sollte jedoch mit Rücksicht an den Kranken und seiner Umstände praktiziert werden. 

Umgang mit den Patienten

Umgang mit Fremden des anderen Geschlechtes

Der Islam versucht durch gewisse Regeln den Muslimen einen moralischen Schutz zu gewähren. Im Rahmen dieser Maßnahmen beschränkt sich der Umgang der Muslime mit fremden Personen des anderen Geschlechts auf das Nötigste. Dabei werden die Muslime, Männer sowie Frauen, aufgefordert, gewisse innere sowie äußerliche Prinzipien einzuhalten. Es wird deshalb auch verständlich, warum die Muslime sich aufs Beste bemühen, nach Möglichkeit einen gleichgeschlechtlichen Arzt zu konsultieren oder im Krankenbett den Wunsch äußert nur von einer entsprechenden Person gepflegt zu werden. Wenn trotz aller Bemühungen eine entsprechend ausgebildete Fachperson nicht zu finden ist, kann ein Arzt oder Pflege-person des anderen Geschlechtes die Pflichten übernehmen. Der Islam hat flexible Maßnahmen, die in einer Notsituation im entsprechenden Rahmen angepabt werden können: Man begeht damit keine Sünde. Dass die Kommunikation in solchen Situation einen hohen Stellenwert einnimmt, ist sicher erkennbar. 

Berührung

Eine der oben erwähnten äußerlichen Prinzipien ist, daß die Muslime mit einem fremden Menschen des anderen Geschlechtes keinen Körperkontakt haben sollten. Dies fällt ihnen vielleicht schon bei der Begrüßung auf (z.B. das Händereichen). In einer Notsituation wird diese Vorschrift jedoch entsprechend angepaßt, auch bei der Untersuchung. 

Aufenthalt in einem Raum

Die Muslime halten sich nicht allein mit einer fremden Person des anderen Geschlechts in einem Raum auf. Üblicherweise begleitet jemand die Patientin auch ins Arztzimmer. Wenn dies nicht der Fall ist, kann man eine weibliche Drittperson hinzuziehen. Die Ideologie: Vermeidung von einer Situation die dem Ruf der Beteiligten schaden könnte sowie die Möglichkeit eines Fehlverhaltens seitens des Arztes oder Patient vorzubeugen.

Medizinische Aspekte und spezielle Fragen

Organentnahme und Transplantation

Die Organentnahme wird in der islamischen Lehre befürwortet und als Wohltat auch unterstützt. Organ-empfänger kann jeder sein; es wird kein Unterschied zwischen Muslim oder nicht Muslim gemacht. Die Voraussetzung ist eine medizinische Indikation. Es darf nicht entgeltet werden! 

Organentnahme bei nicht einwilligungsfähigen Behinderten

Der Islam vertritt eine eindeutige Meinung: bei Unmündigen und nicht zurechnungsfähigen Personen ist eine Organentnahme nicht erlaubt, auch nicht mit der Einwilligung des Vormundes. Das würde einer fremden Person das Recht geben über den Körper des anderen zu entscheiden, dies widerspricht der menschlichen Würde. 

Autopsie

Bei bestehender medizinischen, sowie forensischen Indikation erlaubt. 

Sterbehilfe

nicht erlaubt. Ein Muslim - als Arzt oder Patient- und die ganze Gemeinschaft ist verpflichtet Leben zu erhalten und schützen. 

Beschneidung des Knaben

Die Vorteile der Beschneidung hygienischer und sexueller Natur werden vom Islam unterstützt; sie greifen jedoch zu kurz, wenn man versucht die Beschneidung nur damit zu begründen. Damit folgt man auch der Praxis der großen Propheten von Abraham bis Muhammad. Die Circumzision sollte so schnell wie möglich vollzogen werden, nach gewissen Schulen der Rechtslehre innert dem ersten Jahr, andere warten bis zum 4. bis 7. Lebensjahr. 

Anmerkung: Die Beschneidung der Frau wird aus kulturellen und traditionellen Anliegen durchgeführt, findet jedoch im Islam keine Begründung. Es gibt lediglich den Hinweis, dass Frauen, die einem afrikanischen Stamm, angehörten, Muhammad (Gottes Segen und Heil sei auf ihn, sowie auf die anderen Propheten) um Erlaubnis baten, Ihre Schamlippen aus hygenischen Gründen zu verkleinern. Er erlaubte es Ihnen, aber hielt sie dazu an, nur so vile Gewebe zu reserzieren, wie aus hygenischen Gründen erforderlich sei. Betreffend einer Resektion der Clitoris und andere Praktiken gibt es keine Hinweise und Überlieferungen, auf welche Bezug genommen werden könnte, um diese praxis als islamisch zu erklären. Diese Operation, wird heute in der Schweiz durch plastische Chirurgen aus kosmetischen Gründen durchgefuehrt! (Hinweis: Pulstip: Schweizer Gesundheitsmagazin Nr. 12/1998) 

Empfängnisverhütung

Grundsätzlich, mit gegenseitigem Einverständnis der Eheleute, erlaubt. Die Mittel dürfen jedoch nur vorübergehend wirken; Sterilisation und Vasektomie dürfen nur als Ausnahme angewandt werden, wie z.B. Gesundheitsgefährdung durch Schwangerschaft. 

Künstliche Befruchtung*

Ist im Islam erlaubt, sofern die Befruchtung mit dem Samen des eigenen Ehemannes durchgeführt wird. 
*Die Website enthält auch Information zu Infertilität. 

Schwangerschaftsabbruch

Der Islam betrachtet das Leben als unantastbar. Deshalb wird die Abtreibung im Islam grundsätzlich abgelehnt, es sei denn es liegt eine medizinische Indikation vor: bei Mutter oder dem Kind. 

Medizinische Indikation kindlicherseits, bezüglich Mißbildungen

Die Meinungen der Gelehrten sind in diesem Argument unterschiedlich. Es gibt Gelehrte, die eine Abtreibung bei "kindlicher Indikation" ablehnen, andere gehen von der Schwere der Mißbildung aus. Bei sehr schweren oder mehrfachen Mißbildungen meinen die meisten Gelehrten, daß ein Leben dem Kind und der Mutter bzw. der Familie nicht zugemutet werden kann. 

Forschung an Embryonen

Wissen erlangen ist eins der ersten Gebote im Islam: er steht auch offen zur Wissenschaft, aber die Menschenwürde ist vorrangig. 
  1. Die Experimente an Embryonen sind nicht erlaubt, wenn andere Möglichkeiten vorhanden sind; sprich unbelebte Materie oder Tierversuche. Jede Wissenschaft ist wiederum an Verantwortung gebunden, es darf kein Mißbrauch von Tieren getrieben werden.
  2.  Nach der islamischen Ethik dürfen keine Embryonen für Forschungszwecke erzeugt werden.
  3. Heilversuche bei nicht zurechnungsfähigen Patienten

    Wenn Heilung oder Linderung des Leidens diesem Patienten selbst zugute kommen, bestehe gemäß einigen Gelehrten, kein Einwand. 

    Bedeutung von Blut

    Fließendes Blut, auch jenes welches aus einer Wunde austritt, wird im Islam als unrein betrachtet; der Mensch ist jedoch nicht unrein, z.B. ist die Frau während der Menstruation und dem Wochenfluss nicht unrein und darf sich am normalen täglichen Ablauf beteiligen, auch im ehelichen Leben, wobei nur der Geschlechtsverkehr in diesen Tagen zu vermeiden ist (weiteres unter Gebet). 

    Fasten

    Wie bereits oben erwähnt, ist das Essen und Trinken, einschliesslich Rauchen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nicht gestattet. Perorale Medikamente sowie per anum eingeführte Medikamente zählen auch dazu; Injektionen, jeder Art, einschließlich Blutentnahmen sind erlaubt. Es ist jedoch auch zu erwähnen, dass kranke und schwache Menschen, menstruirende Frauen, Frauen im Wochenbett und stillende Mütter von der Fastenpflicht entbunden sind; sie können das Fasten, falls ihre körperliche Kraft es zuläßt, zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Für Kinder wird das Fasten erst nach Beendigung der Pubertät zur Pflicht. 

    Gebet

    Bekanntlich ist es für die Muslime Pflicht, fünf Gebete an bestimmten Tageszeiten zu verrichten, auch im Falle einer Krankheit. Eine Bedingung für das Gebet ist die Waschung, die wenn möglich unter fließendem Wasser vollzogen werden muß. Ist der Mensch körperlich behindert oder besteht eine Wunde, welche nicht mit Wasser in Berührung kommen sollte, kann sie die Waschung durch die sogenannte Ersatzreinigung, d.h. überstreichen der Gliedermassen mit der bloßen Hand ohne Wasser vornehmen. Für das Gebet benötigt sie einen reinen Ort, sei es eine stille Ecke in ihrem Zimmer evtl. mittels einer beweglichen Trennwand abgetrennt oder wenn möglich ein separater Raum, in den sie sich zurückziehen kann. Sie muß im Gebet genau nach Mekka gerichtet sein, welches südöstlich liegt. Im Durchschnitt dauert das Gebet etwa 10 bis 15 Minuten. Während der Menstruation und dem Wochenbett ist die Frau vom Gebet dispensiert. 

    Ernährung

    Ein weiteres Problem ist die Regelung der Ernährung der Muslime. Den Muslimen ist untersagt Speisen zu sich zu nehmen, die nach Islamischer Auffassung als unrein gelten, darunter zählen Schweinefleisch, Alkohol und Fleisch, welches nicht nach islamischen Vorschriften geschlachtet worden ist. Eine Möglichkeit wäre das nach jüdischen Vorschriften geschlachtete Fleisch . Milchprodukte, Eier, Fisch, Gemüse und Obst kann die Muslima unbedenklich essen. Vielleicht wäre eine vegetarische Kost eine gute Zwischenlösung für die Muslime. Wenn es nicht gegen die ärztlich verordnete Diät verstößt, wäre eine Versorgung durch die Angehörigen eine praktische Lösung. 

    Tod und Bestattung

    Wenn ein Muslim im Sterben liegt, sollte man die Angehörigen kommen lassen, damit sie mit ihm Bittgebete sprechen können und ihn das Glaubensbekenntnis sagen lassen; ist er/sie bewußtlos, kann der Glaubensbruder oder -schwester das Glaubensbekenntnis auch ins Ohr flüstern. Dies ist von größter Wichtigkeit, da dieses Bekenntnis, nach islamischen Glauben sein/ihr weiteres Schicksal im Jenseits entscheidet. Der Tod beinhaltet nicht das absolute Ende, es ist ein Transit von der diesseitigen Leben in das Jenseits. Nach Eintreten des Todes muß der Leichnam nach islamischen Vorschriften für das Begräbnis vorbereitet werden. Zur islamischen Vorschrift und Ethik gehört es, daß der Leichnam schnellst möglich begraben wird und damit die Würde des Verstorbenen berücksichtigt wird. 

    Allfällige Untersuchungen oder Vorbereitungen bezüglich medizinischer oder forensischer Anliegen, sowie Vorbereitung für Transport müssen nach Möglichkeit vor der Waschung des Leichnams erfolgen. Danach wird der Körper als gereinigt betrachtet und jede Manipulation bedeutet eine Unreinheit- der Leichnam würde dann in einem unreinem Zustand begraben. 

    Schlußwort

    Zuletzt möchte ich etwas nicht unerwähnt lassen. In meinem Versuch, im Rahmen des heutigen Themas einige Aspekte der islamischen Lebensauffassung näher zu bringen, ist ihnen sicher auch aufgefallen, daß der Islam für jeden Lebensbereich Regelungen hat. Dies mag im ersten Blick beengend wirken. Trotzdem ist es kein System mit starren Regeln und Vorschriften, sondern die Gesetzgebung ist flexibel und für jede Zeit und jede Angelegenheit des Lebens anwendbar. Vielleicht fragen sie sich, wieso denn eine Religion sich mit solchen alltäglichen Problemen befaßt. Der Grund ist, daß der Islam keine Trennung zwischen Körper und Geist, weltlichen und geistlichen Dingen kennt. Der Islam ist eine allumfassende Lebensanschauung, die den Menschen mit all seinen Eigenschaften bejaht. 

    Weitere Information, jedoch in englisher Sprache


    Graphik: oben: Im Namen Gottes; Seite: Gepriesen sei Gott. 


    Diese Page wurde am 26. Dez. 1998G/ 8. Ramadan 1419H erstellt

    Islam in der Schweiz

    email