die Presse

Chronik Österreich

Stadt Wien stellt Muslimen eigenen Friedhof zur Verfügung

In Liesing wird nun nach jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt Wien ein
islamischer Friedhof für 2800 Gräber errichtet.




WIEN (abu). Der Wunsch nach einem Friedhof sei schon alt, erklärte Anas
Shakfeh, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IG). Schon vor 15
Jahren habe man mit der Stadt Wien geredet, nun sei es endlich soweit.
Mit mehr als 100.000 Mitgliedern ist die IG zwar die zweitgrößte rechtlich
anerkannte Religionsgemeinschaft von Wien, hat aber keinen eigenen Friedhof -
im Gegensatz zur israelitischen Kultusgemeinde und zur evangelischen Kirche.
Die Muslime mußten bisher in den Zentralfriedhof ausweichen oder ihre
Verstorbenen in die Heimatländer überstellen.
Ein Grundstück mit knapp 34.500 Quadratmetern im 23. Wiener Gemeindebezirk,
zwischen Großmarkt- und Laxenburger Straße, Haböckgasse und Liesingbach, ist
für die Errichtung des Friedhofs vorgesehen. Maximal können etwa 2800 Gräber
Platz finden. Zum Vergleich: Die katholische Kirche betreibt vier eigene
Friedhöfe mit 3700 Grabstellen, die anderen sind städtische. Die Kosten von acht
Mill. S (581.000 ?) für Aufschüttungsarbeiten und die Begrenzungsmauer
übernimmt die Stadt Wien.
Das Grundstück selbst ist 24 Mill. S (1,74 Mill. ?) wert. "Im Herbst 2002
soll der Friedhof den Betrieb aufnehmen", erläutert Wohnbaustadtrat Werner
Faymann.
"Ich habe vor 20 Jahren aus Syrien flüchten müssen", erzählt Aiman Morad von
der Islamischen Liga der Kultur. In seinem Testament hält er fest, daß er in
Syrien begraben werden möchte - wenn er schon aus politischen Gründen nicht
lebend zurückkehren könne. Nun werde er allerdings seinen letzten Willen
ändern und in Wien seine letzte Ruhe finden.
"Die Gräber sind auch für die Lebenden", meint IG-Integrationsbeauftragter
Omar al-Rawi. Folgende Fragen würden immer wieder gestellt: Was geschieht mit
mir? Können mich meine Kinder besuchen? Diese Fragen könnten künftig bejaht
werden, sagt al-Rawi. Etwa 150 Muslime werden jährlich auf dem neuen Friedhof
begraben werden - etwa die Hälfte der Sterbefälle. Die Gräber sind gen Mekka
ausgerichtet.



DER STANDARD
Donnerstag, 6. Dezember 2001, Seite 11 Chronik 57.asp57.asp213.asp213.asp

Auch der Tod ist ein Stück Integration

In Liesing entsteht der erste islamische Friedhof Wiens
Wien - Anas Schakfeh versuchte es per Schmäh: "Es gibt Gruppierungen und
Parteien, die sich gegen Fremde stark machen. Aber ich sehe da keine Gefahr -
wir sind ja keine Fremden, wir sind hier zu Hause." Dennoch, gab der Präsident
der islamischen Glaubensgemeinschaft Dienstagabend zu, sei ihm sehr wohl
bewusst, dass die Errichtung eines islamischen Friedhofes in Wien ein emotional
besetztes Thema sei. Oder sein kann: Immerhin bemüht sich die Vertretung der
rund 105.000 Wiener Muslime schon seit über 15 Jahren darum, ihre Toten in
Übereinstimmung mit den Riten ihres Glaubens begraben zu können. Aber Vorurteile
haben kein Parteibuch.
2003, freute sich Schakfeh, soll es endlich so weit sein: In Liesing, dort
wo sich die Laxenburger Straße mit dem Liesingbach kreuzt, stellt die Gemeinde
Wien den Muslimen ein 34.400 m² großes, rund 24 Millionen Schilling (1,74
Millionen Euro) teures Grundstück zur Verfügung. Auch Erschließung und
Umzäunung übernimmt die Stadt (8 Mio. S/580.000 Euro), die Errichtung der
Verwaltungs-, Sanitär- und Zeremonialräume sowie den laufenden Betrieb des maximal 2800
Gräber umfassenden Areals wird die Glaubensgemeinschaft tragen.
Keine Rülpser erwartet
Integration, betonten auch die Stadträte Renate Brauner (Integration) und
Werner Faymann (Bauten) anlässlich der Präsentation, sei etwas, was das ganze
Leben - "also auch den Tod" - betreffe. Und angesichts eines "immer
selbstverständlicher werdenden friedlichen Miteinanders" (Brauner) in Wien erwarte man
eigentlich auch keine - von Brauner "Probleme" genannten - Rülpser. Ein
"Obwohl uns eine Partei da schon oft enttäuscht hat" konnte sich Faymann nicht
verkneifen.
In den kommenden Wochen wird es seitens Stadt und Bezirk deshalb
Informationskampagnen vor allem in der Region um den geplanten Friedhof geben. Bisher
ließen viele Muslime ihre Toten in die alten Heimatländer ausfliegen, erzählte
Schakfeh. "Aber für die zweite und dritte Generation gibt es nur ein Zuhause:
diese Stadt." (rott)

Kurier

06.12.2001
Islamischer Friedhof für Wien
Bis 2003 soll Areal in Inzersdorf für 2800 Gräber erschlossen werden
Die nunmehr bald 15 Jahre dauernde Debatte um die Errichtung eines
islamischen Friedhofes in Wien hat ein Ende gefunden. Ab Herbst 2003 können Muslime
ihre verstorbenen Angehörigen auf einem rund 34.000 Quadratmeter großen Areal
in Inzersdorf (23. Bezirk) begraben.

Bis jetzt können die Toten der islamischen Glaubensgemeinschaft nur auf
einem eigens abgegrenzten Teil des Zentralfriedhofes bestattet werden. Viele
Familien lassen die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen auch in die Heimat
überstellen. Was allerdings mit Kosten von rund 70.000 bis 90.000 Schilling
(etwa 5100 bis 6500 ?) verbunden ist.

Zeitdruck

Da das Gelände auf dem Zentralfriedhof nicht mehr ausreicht, musste nach
einer anderen Lösung gesucht werden. Und diese Suche nach einem geeigneten Areal
gestaltete sich schwierig. Vier Standorte standen ursprünglich zur Wahl -
einer in der Donaustadt, einer in Simmering und zwei in Liesing.

Nach eingehender Prüfung fiel die Wahl schließlich auf das Areal zwischen
Großmarktstraße, Laxenburger Straße, Haböckgase und Liesingbach. Die rund 24
Millionen Schilling (1,74 Millionen ?) teure Fläche befindet sich im Besitz der
Gemeinde Wien und wird laut Stadtrat Werner Faymann der islamischen
Glaubensgemeinschaft zur Verfügung gestellt. Die Stadt finanziert außerdem noch die
Erschließungsarbeiten und die Errichtung der Begrenzungsmauer (acht Millionen
Schilling / 0,58 Millionen ?). Für alle anderen Kosten (Verabschiedungshalle,
Flachbau für Begräbnisvorbereitungen, Verwaltungsgebäude) kommt die
Glaubensgemeinschaft auf. In zwei Jahren soll so Platz für 2800 Gräber, die alle nach
Mekka ausgerichtet sind, geschaffen werden.

Sicherheit

"Mit diesem Friedhof wird den Lebenden die Sicherheit gegeben, einst in
Frieden bestattet werden zu können", zeigte sich der Präsident der
Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, mit der präsentierten Lösung zufrieden.

Für die Anrainer werde es durch den Friedhof keine Belästigungen geben, wird
im Büro von Stadtrat Faymann versichert. Die islamische Bestattungszeremonie
verläuft schlicht und still.
Ulrich Zerbs


Salzburger Nachrichten

Wien: Integration bis in den Tod
Islamische Glaubensgemeinschaft erhält nach langem Tauziehen einen Friedhof
- Standort Liesing

WALTER SCHWARZ
WIEN (SN).
"Wenn wir von Integration reden, gehört dazu, dass die Infrastruktur
vollständig ist", betont der Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft in
Österreich, Anas Schakfeh. Und zur "Infrastruktur" gehöre auch ein Friedhof, denn
der Tod sei nun einmal ein Teil des Lebens. Nach jahrelangen erfolglosen
Gesprächen zwischen der Glaubensgemeinschaft und der Stadt Wien, nach mühseliger
Standortsuche ist es nun so weit: Die Muslime bekommen einen eigenen Friedhof
in der Bundeshauptstadt.
Schließlich zählt die Glaubensgemeinschaft in Wien 105.000 Mitglieder, sie
ist damit nach der rö-mischkatholischen Kirche die zweitgrößte gesetzlich
anerkannte Religionsgemeinschaft. Die evangelische Kirche hat 48.500, die
israelitische Kultusgemeinde 6500 Mitglieder. Bisher wurden verstorbene Muslime auf
einem abgegrenzten Teil des Zentralfriedhofs bestattet, freilich sind nur 330
Grabsstellen vorhanden.
Der überwiegende Teil der Verstorbenen wurde in die Herkunftsländer
überstellt, allerdings mit beträchtlichem finanziellen Aufwand: Eine Überführung in
die Türkei kostet rund 60.000 S. Der neue islamische Friedhof wird auf einem
34.000 Quadratmeter großen Areal im 23. Bezirk Liesing im Süden Wiens -
konkret zwischen Groß-marktstraße, Laxenburgerstraße, Haböckgasse und Liesingbach -
errichtet und soll im Herbst 2003 eröffnet werden. Wie
Integrationsstadträtin Renate Brauner (SP) und der für die städtischen Liegenschaften zuständige
Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SP) betonen, wird Platz für zunächst 2800
Grä-ber geschaffen. Das Grundstück - es ist mit 24 Mill. S bewertet - wird von
der Stadt zur Verfügung gestellt, für seine Erschließung sind acht Mill. S
veranschlagt.
Die Glaubensgemeinschaft rechnet mit rund 150 Bestattungen im Jahr, ungefähr
ebenso viele Muslime würden weiter in die Herkunftsländer überstellt. Vor
allem Angehörige der zweiten und dritten Migrantengeneration wollen sich einmal
in Wien bestatten lassen, wird argumentiert. Das Areal in Liesing bietet
Erweiterungsmöglichkeiten. Die Toten liegen auf der rechten Grabseite mit dem
Kopf Richtung Mekka, doch Wiener "Vurschrift" ist "Vurschrift": Sie dürfen
nicht in Totentüchern bestattet werden, sondern ausschließ-lich in Särgen.